Studie e-Learning: Welches sind massivsten Kostentreiber bei der Erstellung von Web Based Trainings (WBT)?

 

Obwohl in der Diskussion um die Entwicklung von Lernprodukten kaum präsent, sind  Sprachversionen und damit verbundene Produktionsprozesse die wohl stärksten Kostentreiber bei der Entwicklung von interaktiven Lernprogrammen.

Abseits von Dauerbrennern wie Mediendidaktik oder Autorentools soll hier ein Schlaglicht auf die aktuellen Entwicklungen zum Thema „Text in unterschiedlichen Sprachen“ geworfen werden. Und natürlich geht es auch um Lösungsansätze für Kostenreduktionen.

 

Der Artikel soll auf Anforderungen für die erfolgreiche WBT Produktion bei Kundenprojekten hinweisen und Lösungstipps geben.

 

 

Vertragliche Kalkulationsgrundlage

 

 

 

 

 

Die Grundlage für die Kostenermittlung von Text- und Audiopassagen bei interaktiven Lernprogrammen ist das Drehbuch selber in der Ausgangssprache (Leading language version). Üblicherweise gibt es bereits im Auftrag für die Kursproduktion zwischen Endanwender und Lieferanten eine diesbezügliche Vereinbarung. Im Schnitt kann bei einem WBT von 60 min. Laufzeit mit einer Anzahl von ca. 7.800 Wörtern gerechnet werden; kürzere Laufzeiten werden linear heruntergebrochen. Verträge, die diesbezüglich keine Regelung beinhalten, können ruhigen Gewissens direkt in die Kategorie „Problemfall“ eingestuft werden. Erfahrungsgemäß wird bei fehlender oder mangelhafter Angabe dieser quantitativen Werte schon der Drehbuchautor Schwierigkeiten bereiten. Je nach Charaktertypus wird entweder zu viel oder zu wenig an Text geliefert werden. Die Folgen davon werden im Abschnitt „Effizienzfresser“ (zu finden in Teil2 dieses Artikels) beschrieben. Als nächster Stolperstein wird sich vermutlich die abweichende, weil ungeklärte Erwartungshaltung, des Kunden/ Endanwenders erweisen. Ungeklärte Vertragsinhalte dieser Kategorie haben das Potenzial ein komplettes eLearning Projekt zu ruinieren, vor allem dann, wenn es sich um eine textlastige Produktion handelt.

Deswegen:

Textumfang stets vorher klar (d.h. schriftlich) im Vertrag (oder seinen Zusätzen) definieren. Muss man sich erst in mehreren Iterationsschleifen an die endgültige Wortzahl heranarbeiten, so ist es sinnvoll erst eine geschätzte Anzahl von Wörtern in den Vertrag aufzunehmen und die Abweichung dann als Relation berechnen. Allerdings: auch hierfür muss im Vertrag ein entsprechender Passus existieren.  Lässt sich der Lieferant trotz ungenauer Schätzung auf einen Festpreis ein, dann…naja.

 

Arbeitsschritte in der Erstellung der Ausgangs-sprachversion (Leading language version)

 

 

 

 

Aufgrund des Kurskonzeptes und der dafür zur Verfügung gestellten (oder auch selber erarbeiteten Fachtexte) wird der Drehbuchautor die Texte für das Lernprogramm entwickeln. Hier ist es wichtig, den Stil der Texte zuerst zu vereinbaren. Dazu ist es angebracht, den Kunden mit ersten Texten bereits in einer frühen Phase zu konfrontieren. Das erleichtert die spezifische Erstellung der Texte insgesamt und somit die Einfügung in das kulturelle Umfeld des Kunden. Nicht immer ist es jedoch möglich in dieser Weise mit einem Kunden zusammenzuarbeiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kunde (aus welchem Grund auch immer) eine enge Zusammenarbeit verweigert und lediglich ein fertiges Produkt sehen will. Wichtig wäre in diesem Fall, Zugang zu bereits bestehenden Lernanwendungen oder Schulungsunterlagen zu erhalten um sich daran zu orientieren.

Nach Fertigstellung der Drehbuchtexte wird eine Lektorierung, evtl. zusätzlich auch eine stilistische Überarbeitung empfohlen – bevor dies dem Kunden vorgelegt wird. Üblicherweise sind Fehler in diesem Bereich relativ schnell – auch für Laien – sichtbar. Das führt schnell zu einem schweren Ansehensverlust beim Kunden. Oft wird nämlich beim Vorliegen eines, wenn auch geringfügigen Fehlers, z.B. in der Rechtschreibung („…sogar ich als Ungeübter habe beim ersten Blick drauf den Fehler gesehen. Die können ja noch nicht mal richtig schreiben, wie soll das erst bei der Medienerstellung werden?…“) die gesamte Kompetenz des Lieferanten in Frage gestellt. Sich aus diesem Loch wieder heraus zu kämpfen bedeutet überflüssigen Energieverlust. Die Devise also gilt: Es gibt hier keine „kleinen“ Fehler!

Hat der Kunde den Text abgenommen und die Korrekturen sind eingearbeitet, ist jeder Hersteller von Lernmedien gut beraten, auf eine formelle Abnahme der Texte zu bestehen und diese auch beweissicher aufzubewahren. Das heißt: angelieferte Texte in manipulationssicherem, zeitgestempeltes PDF Format vorlegen, Empfang bestätigen lassen. Man mag das als übertriebenes Misstrauen abtun; das sollte trotzdem (begleitet von einer besänftigenden Erläuterung) vom Kunden abverlangt werden. Im Zweifelsfalle nämlich, sitzt der Lieferant am kürzeren Hebel.

Wurde die Abnahme erteilt, kann mit der Sprachversion – und nur dann, begonnen werden.

Genauso wichtig ist es, falls es im Verlauf der Kurserstellung doch zu Textänderungen kommt, die Abnahme- und Nachweissicherungsprozedur strikt einzuhalten und lückenlos zu dokumentieren. Neben der Nachweisfunktion bei Vertragsverhandlungen wird durch das Dokumentieren dieser Vorgänge für die Optimierung des eigenen Produktionsprozesses erst richtig ermöglicht: die Anzahl der Korrekturschleifen, die Kommunikationsprozesse mit dem Kunden, die Arbeitsqualität der eigenen Mitarbeiter, etc. Diese Dinge sind insbesondere dann wichtig, wenn es zu einer längeren Zusammenarbeit mit dem Kunden kommt. Der nämlich, wird auf Rationalisierungserfolge im Laufe der Zusammenarbeit zu sprechen kommen und damit Forderungen für Preisnachlässe begründen. Werden also Rationalisierungspotentiale nicht von Anfang an ausgeforscht und dokumentiert, wird deren spätere Umsetzung umso schwieriger, wenn nicht unmöglich.

 

 

Die erste Sprachversion

 

 

 

 

Hat man genügend Zeit verfügbar, so ist die Erstellung EINER ersten Sprachversion zu empfehlen. Dabei geht es nicht nur um die Übersetzung, Bilder-/ Grafikenprüfung, sonstige kulturelle Adaptionen, sondern auch um die Zusammenarbeit mit einem erweiterten Kreis von Beteiligten sowohl auf Kundenseite als auch auf Lieferantenseite.

Beim Erstellen der Ausgangssprachversion wurde eine bestimmte Form der Zusammenarbeit mit dem Kunden erprobt. Diese kann sich dramatisch ändern, wenn regionale Niederlassungen im Ausland beteiligt werden, oder ausländische Konzernmitglieder eingebunden werden müssen. In der Regel geht hier der direkte Kontakt zum Kunden verloren, bzw. es entsteht eine andere emotionale Lage zwischen den Partnern. So kann man feststellen dass die neu hinzu gekommenen Beteiligten oft weniger Einsatz und guten Willen zeigen, als der Kunde im Inland. Warum? Meistens wird das Projekt vom inländischen Kundenbetrieb getrieben; die Mitarbeiter in der Niederlassung tun’s halt weil es sein muss. Und wie da so ist, mit den Gefallen: nach einer Weile hat man auch genug davon und die Prioritäten sind vor Ort meist anders als vom inländischen Partner gesehen. Man muss also mit folgendem rechnen:

  • Die Antwortzeiten sind erheblich länger als bislang erlebt
  • Die Qualität der Beiträge ist oftmals schlechter
  • Auf Druck wird mit den üblichen Widerstandsmaßnahmen reagiert: „Email verloren gegangen“; “vergessen“; „Chef hat andere Prioritäten“; usw.

Wenn möglich, sollte man sich ruhig mit dem inländischen Kunden etwas Zeit nehmen und eine Interessensbeurteilung erstellen und daraus ein motivierendes Kommunikationskonzept entwickeln. Mühsam, aber oft sinnvoller als im blinden Vertrauen auf die Machtposition der inländischen Kundenorganisation auflaufen und sich an irgendwelchen Gummiwänden zu verausgaben.

Auf Lieferantenseite gilt es vor allem, die Texte zu exportieren und diese möglichst ohne Reibungsverluste an die Übersetzungsagentur zu schicken. Ist es die eigene, wird der Ablauf meistens unproblematisch sein. Der Kunde kann die Liste der spezifischen Fachbegriffe zur Verfügung stellen und diese werden dann in die Übersetzungssoftware der Agentur eingepflegt. Da kein Mensch mehr heutzutage einen Text von Grund auf übersetzt, wird zuerst eine Basisübersetzung durch die Maschine erstellt (die im Übrigen lernfähig sein sollte, ansonsten wechseln Sie guten Gewissens die Übersetzungsagentur) und erst hinterher von Menschen überarbeitet. Hier gilt es nun in einem Optimierungsprozess einerseits ein anständiges, allgemeines Sprachniveau zu finden, andererseits die beigestellten Fachbegriffe einzupflegen und der Maschine (also Übersetzungssoftware) zugänglich zu machen. Das wird sich spätestens ab dem zweiten Auftrag von diesem Kunden als lohnenswert erweisen. Bringt der Kunde die eigene Agentur mit, kann mit Schwierigkeiten gerechnet werden: Es kommt immer wieder vor, dass aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die einzelnen Prozessschritte Unstimmigkeiten und Missverständnisse auftauchen. Deswegen: vorher Prozessschritte en détail mit der neuen Agentur besprechen und dokumentieren. Nochmal problematischer wird es, wenn die kommunizierenden Technologien nicht aufeinander abgestimmt sind. Hat der eLearning Lieferant eine andere oder gar keine (….iSpring, ick hör dir trapsen….) Schnittstelle zum Auslesen der Texte, fängt die Misere hier schon an. Texte müssen mühsam hin und her kopiert werden; Fehleranfälligkeit und Unwirtschaftlichkeiten in rauen Mengen – und wir sind noch lange  nicht bei der 12ten Sprachversion angekommen…

Schlussendlich noch der Hinweis auf einen oft vermiedenen, jedoch sehr wichtigen Prozess: Nach Erstellen der Sprachversion wird natürlich eine Abnahme durch die Mitarbeiter der ausländischen Niederlassung fällig. Die gefundenen Fehler sind dann wieder an die Übersetzungsagentur zurück zu reichen. Diese muss die Änderungen in die Sprachversion einpflegen, die Übersetzungssoftware „lernt“ und das Ergebnis wird wieder an den Hersteller des Lerncontents gesandt. Dieser pflegt erneut die Sprachversion, diese wird wieder den ausländischen Mitarbeitern des Kunden zur Kontrolle vorlegt. Der Zyklus wiederholt  sich bis zur vollständigen Ausmerzung aller Fehler.

Sollte das per Kopieren + Ersetzen Funktion gemacht werden müssen, bleibt nur zu hoffen dass der eLearning Anbieter über gestählte Mitarbeiter verfügt. Wirtschaftlich kann dieser Zyklus nur durch lückenlosen Dateitransfer und gut aufeinander abgestimmte Schnittstellen durchgeführt werden.

Vor Allem gilt: Anzahl der Korrekturschleifen bei Vertragsabschluss vereinbaren! Qualitätsmessmarken und Preise für (die nicht von der eLearning Agentur zu verantwortenden) zusätzliche QM Zyklen ausmachen.

Lesen Sie im folgenden Teil2 mit welchen Herausforderungen bei mehrfachen Sprachversionen zu rechnen ist und welche Effizienzfresser auftauchen können.

 

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