e-Learning im Trend der Jahre

Rückschau auf MMB Trendstudien – Haben wir die Marktentwicklung von Produkten im digitalen Lernen richtig vorhergesagt?

Jedes Jahr, und zwar seit 2006, wird diese Umfrage vom MMB Institut durchgeführt und deren Ergebnisse in einer Studie veröffentlicht. Der aktuelle Trend im e-Learning soll so identifiziert werden.

Für mich, als einer der befragten „Experten“, immer wieder eine unterhaltsame Übung.

Zum einen ballert man die Antworten auf die gestellten Fragen in Nullkommanichts in den Fragebogen des Online Interviews, zum andern wartet man irgendwie schon neugierig auf die verdichteten Ergebnisse. Und auf die Kommentare und Deutungen der MMB Leute.

Dann ist man stolz, wenn sich die eigene Meinung in der Mehrheit wiederfindet. Und schnaubt erbost, wenn die Mehrheit anders meint.

Doch insgesamt gilt: ICH hatte Recht!

Danach geht alles wieder seinen gewohnten Gang.

Hier geht’s zum Trendmonitor

Lauter Visionäre, nur leider oft gescheitert

In nachdenklichen Momenten kommen einem dann doch Zweifel an der eigenen Vorsehungskraft und es fallen einem Aussagen von Größeren ein, wie:

 „Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird.“ Dieser Spruch wird Thomas J. Watson (IBM) zugeschrieben, der ihn 1943 gesagt haben soll.

Oder:

„Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand einen Computer in seinem Haus haben wollen würde.“ Ken Olsen, Gründer der Computerfirma Digital Equipment Corp., glaubte dies 1977.

Möglicherweise versteigt man sich mit Trend Ansagen was die Zukunft des digitalen Lernens und seiner Produkte betrifft? Oder sind es hauptsächlich die Wunschträume der e-Learning Anbieter? Die Bestätigung der eigenen Vorurteile und Hoffnungen, die neue Lernwelt betreffend?

Trends im e-Learning – Beispiele aus vergangenen Zeiten …

Nun gut, dann wollen wir doch mal sehen, wie es in unserem kleinen Winkel tatsächlich ist.

Aufschlagen Trendmonitor 2006:

„Informelles Lernen ist das wichtigste Trendthema.“

Weiter geht’s:

„Ein Viertel der Befragten äußert spontan „Content Sharing“, (…) Lernplattformen werden als Werkzeug für das Lernen in Unternehmen offenbar so selbstverständlich, dass sie kaum noch Anlass zu Fachdiskussionen geben. Nach Einschätzung von rund einem Drittel der Experten verliert das Thema Lernplattformen bzw. Lernmanagementsysteme in der Diskussion an Bedeutung. Weiterhin bestätigen die Experten den schon länger eingeläuteten Abschied vom „reinen E-Learning“, d.h. CBTs und WBTs (27 %).“

Nun ja.

Schaut man sich die Entwicklung des informellen Lernens an, dann war die Entwicklungskurve viel flacher als gedacht. Dennoch ist das informelle, arbeitsbegleitende Lernen sowie „Learning on Demand“ eingetreten. Allerdings hat auch das formelle Lernen stark zugelegt.

Die Sache mit dem Content Sharing hat sich bis heute kaum durchgesetzt. Die Gründe mögen vielfältig sein uns gemessen an den Hoffnungen, die man damals bei dem Thema hatte, ist dabei wenig rumgekommen.

Bei Lernmanagementsystemen gab es lange Zeit den Versuch, sie totzureden oder zumindest zu ignorieren. Fehlanzeige. Die „Lernplattform“ ist heute mit das aktuellste Thema, wenn es um die Ermöglichung von modernen Lernszenarien geht. Dementsprechend gibt es auch sehr viele strategische Entwicklungsrichtungen. Von Selbstverständlichkeiten und Schweigen keine Spur. Und außerdem: Wer könnte schon einen umfassenden Lernbetrieb ohne ein vernünftiges Softwaretool verwalten?

Der Abschied vom CBT… OK, geschafft. Der Niedergang des WBT? Denkste. Ich behaupte mal, dass 75% der Umsätze im Lern Content Bereich immer noch mit stinknormalen WBTs gemacht werden. Jetzt, in 2020.

Zusammenfassen, Trefferstatistik:

Quote also: 2 aus 5 eingetroffen. Nicht so ganz schmissig.

Noch mehr e-Learning Trends aus der Vergangenheit

Nächster Versuch. Trendmonitor 2012. Ich hole mal die am meisten besungenen Themen hervor:

  • „Als eindeutiges Top-Thema des diesjährigen MMB Learning Delphi erweist sich „Mobile Learning“. Die befragten Experten sehen hier den wichtigsten Trend für die kommenden drei Jahre – vor allem aus wirtschaftlicher Perspektive.“    
  • „Unternehmen werden auch zukünftig vor allem auf die Mischung von traditionellen Lernformen mit digitalem Lernen („Blended Learning“) setzen.“
  • „Auch die räumliche Entgrenzung der klassischen synchronen Unterrichtssituation über den Einsatz „Virtueller Klassenräume“ hat eine große Zukunft.“
  • „Auf den nächsten Plätzen folgen „Social Media / Social Learning“ und „Micro Learning / Rapid Learning“.
  • „App-Store und Android Market werden als die künftig wichtigsten Plattformen für den Vertrieb von E-Learning-Content eingeschätzt.“

Dass Mobile Learning zunehmen würde, lag auf der Hand. Die Smartphones leisteten dafür einen enormen Schub – im Konsumentenbereich. Im Bereich der betrieblichen Weiterbildung zumindest, kann ich davon wenig feststellen. Hier also ein gemischtes Bild.

Mit dem Thema „Blended Learning“ ist das eine merkwürdige Sache. Eigentlich gibt es das Konzept seit der e-Learning Steinzeit und ist somit kein aktueller e-Learning Trend; tatsächlich wird es sogar in den letzten 3 – 4 Jahren immer stärker betont. Irgendwie scheint sich das Konzept verselbständigt zu haben, oder neue Kundengruppen greifen es auf, oder, oder. Lupenreines e-Learning hat und gibt es tatsächlich nicht ganz so oft, um es vorsichtig zu formulieren. 

Dass virtuelle Klassenzimmer zunehmen würden, erscheint aus heutiger Sicht selbstverständlich. Die Trivialisierung durch Konferenzsysteme leistet hier auch eine wichtige Vorarbeit. Kehrseite davon ist aber, dass damit den reinen Lernsystemen das Wasser abgegraben wird. Viele e-Learning Anwender geben sich nämlich mit Einfachstlösungen allgemeiner Natur zufrieden, wie Webex und Co.

Das Thema „Social Media Learning“ habe ich selber jahrelang gut gefunden. Leider aber keine Kunden dafür erwärmen können. Egal was man sich einredet und gleichgültig, wie viele Blogs und Threads auf LikedIn und ähnlichen es dafür gibt: Social Media Learning ist kein breit und dauerhaft wirkendes Geschäftsmodell. Weder für Anwender noch für Anbieter.

Mobile: Die Marktplätze wie Android und Apple Stores mögen für Endkunden interessant sein, aber für Firmenkunden sehe ich davon recht wenig. Aus meiner Sicht also auch eine kaum erfüllte Hoffnung, weil reale e-Learning Trends hören einfach nicht auf Vorhersagen.

Trefferstatistik

Quote: 1 voll eingetroffen, 3 in etwa, 1 Flop. Gauß’sche Verteilung.

Und ein letzter Ausflug in vergangene Prognosen zum Online Learning der Zukunft

Letzter Versuch: die frühe Vergangenheit im Trendmonitor 2018 mit „Assisted Learning“. Ein Trend im e-Learning , der sich bestätigen lässt?

Ist gar nicht so lange her, dass uns dieses Schlagwort um die Ohren gehauen wurde. Betreutes Wohnen, Betreutes Denken; da konnte das Betreute Lernen auch nicht weit sein. Dass sich dieser semantische Spielbegriff zu einem Trend entwickelt, ist wahrscheinlich. Vor allem im Kontext von KI. Worüber 2018 aber nicht gesprochen wurde. Da waren die Schrecken der DSGVO nämlich der „wahre“ Trend.

Zum Inhalt der Studie:

Und wieder taucht das „informelle Lernen“ aus der Versenkung auf …

“…von allem rechnen damit, dass vor allem informelle niedrigschwellige Lernformen beim Lernen in Unternehmen eine wichtige Rolle spielen werden.“

Na prima.

„Digitale Lernassistenten werden in den kommenden drei Jahren eine wichtige Lernform – sagen 60 Prozent der Befragten.“ Leute, strengt Euch an, kann ich da nur sagen – drei Jahre! 2018, 2019, 2020. Dann muss es einfach so weit sein. Hrrrm.

„Web Based Trainings waren früher für fast alle Befragten eine „zentrale Lernform“, heute „nur“ noch für 55 Prozent von ihnen.“

An dieser Stelle wage ich schüchtern, kleine Zweifel zu äußern über die Praxisnähe der „Eggschperdn“ dieser Befragung. WBT hat, soweit es betriebliche Lernformen betrifft, wohl immer noch mindestens 75% Anteil (siehe weiter oben) an den eingesetzten Lernformaten.

Und zu guter Letzt noch einen:

„Immersive Lernanwendungen wie VR- und AR-Lernen werden zunehmend auch kommerziell interessant. Bei Lerntechnologien wie „Virtual Reality“ (53%), „Augmented Reality“ (58%) und „Simulationen“ (58%) hat sich die Zahl der Befragten mit dieser Meinung deutlich gesteigert.“

Nach meiner Meinung haben diese beiden Lernformen die typische „Formel 1“ Aufgabe. Gezielte Leistungsschau und Blick in die Zukunft. In der Fläche kann man VR wohl noch lange als nicht angekommen bezeichnen. Bei AR bin ich mir da nicht ganz so sicher. Gemessen an der Vergangenheit, sind hier deutliche Steigerungen zu sehen. Wenn auch auf niedrigem Niveau.

Auch hier die Trefferstatistik

  • Assisted Learning: nope
  • Informelles Lernen: entwickelt sich gaaanz langsam
  • WBTs: weit daneben
  • VR: dauert noch
  • AR: kommt langsam

Erzielte Quote: 0 von Allem voll eingetroffen, 3 ganz grob auf Kurs, 2 voll daneben. Hui.

Demut ist angesagt bei der Zukunftsdeutung, auch des e-Learning

Auch „Experten“ sind nur Menschen. Mit eigenen Interessen, Befindlichkeiten, blinden Flecken, Fachwissen, was auch alles.

So richtig vertrauen in die Prognosen kann man, angesichts deren Eintrittswahrscheinlichkeit, wohl nicht ganz. Das ist keine Kritik an der Studie an sich. Sie ist für mich deswegen interessant, weil sie den wichtigsten Trend im e-Learning im jeweiligen Jahre aufgreift und thematisiert. Damit hilft sie uns, etwas verantwortungsvoller mit Aussagen umzugehen.

Zum Abschluss ein kleiner Trost: Wenige kümmern sich um den tatsächlichen Eintritt alter Untersuchungen. Üblicherweise blicken wir in die Zukunft und behalten streng selektiv nur die erfolgreichen Vorhersagen im Gedächtnis. Was anders sollte man auch tun, um sich selbst-gewiss an die nächste Kaffeesatz Leserei heranwagen? Na, denn. Wir sprechen uns zum Thema -e-Learning im Trend der Jahre – wieder in ein paar Jahren.  

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